Almfieber-eine unheilbare Krankheit 07.11.2021

„Der Berg ruft“!

Nein, wir haben uns nicht das Bergdrama von Luis Trenker aus dem Jahr 1938 angeschaut.

Wir hatten einen jungen Mann aus der Jetztzeit zu Gast, der uns von seinem ganz eigenen Abenteuer als Kuhhirte auf einer Almhütte erzählte.

Mit „Almfieber“ umschreibt Markus Obergfell seinen scherzhaften Krankheitszustand. In einem Alter, in dem ausgelassene Geselligkeit und mediale Präsenz für viele jungen Leute von großer Bedeutung sind, entschied er sich noch während seines Studiums für eine „Auszeit“ auf einer Almhütte. Vielleicht auf der Suche, ob es denn nicht noch mehr Sinn im Leben gibt als diese oberflächlichen Scheinbedürfnisse.

Auf einer Almhütte in der österreichischen Obersteiermark bekam er die Chance eine andere Seite des Lebens kennen zu lernen.

Mit 15 Kühen und 70 Kälbern wurde er mit einem Lastwagen auf der Alm abgesetzt – in 1663 m Höhe und 1,5 Std. Fußmarsch vom Dorf entfernt. Nach genauen Anweisungen und einigen Kontrollbesuchen seitens des Bauern war er dann von Ende Mai bis Ende September mit den Kühen allein und auf sich und sein Durchhaltevermögen gestellt.

Seine neue Bleibe: Eine Almhütte, bestehend aus einer Wohn -und Küchenstube, einer Schlafkammer unter dem Dach und dem angrenzenden Viehstall. Zwar mit Wasseranschluss – das Wasser kam allerdings mit 4°C aus dem Wasserhahn – aber ohne Strom. Muss es einen da in unserer heutigen stromverwöhnten und digitalisierten Welt nicht wie ein Blitz durchfahren: Ja, wie telefoniere, chatte oder google ich denn dann? …  GAR NICHT!

Für Licht sorgt eine Kerze, Musik muss man selbst machen (singen!), und für eine Tasse Tee, ein warmes Essen oder eine Körperwäsche muss man schon morgens den Ofen einheizen und möglichst nicht ausgehen lassen. Denn das 4°C kalte Gebirgswasser braucht im riesigen Kessel eine gewaltige Zeit, bis es warm ist. Wenn man morgens also um 5°° oder 6°° aufsteht, sollte über Nacht der Ofen nicht erloschen und der Kessel auch mit Wasser gefüllt sein, sonst gibt es eben keinen Kaffee.

Ein Stromaggregat stand nur für die Eimermelkanlage zur Verfügung, und die Kühlung von Getränken übernahm der Quellbach neben der Hütte. Fleisch oder Butter wurden in eine leere Milchkanne getan und in riesigen Wassertrögen gekühlt. In dieser Form wurden auch die gefüllten Milchkannen haltbar gemacht, bis sie alle zwei Tage mit dem Anhänger zum nächsten Bauernhof gefahren wurden. Dort nahm ein Milchwagen einer Molkerei die Milch in Empfang.

Unter welchen Mühen diese Milch im Milchwagen landet, kann sich letztendlich der Konsument und Endverbraucher nicht vorstellen.

Obwohl die Kühe meist alleine zum Melken kommen, können sie sehr eigenwillig und bockig sein, wenn sie so launischem Wetter im Gebirge ausgesetzt sind. Das kann zwischen 6°C und 30°C im Sommer variieren. Und wer einmal überlegt, wie es ist bei 6°C die 25kg schweren Milchkannen zum Kühlen zum Gebirgsbach zu schleppen oder darin die leeren Kannen zu putzen, Holz zu hacken, um warmes Wasser oder eine warme Stube zu haben, kann sich den Wert dieser kostbaren Almmilch ja mal errechnen.

Alleine mit sich selbst, den Kühen und dieser unendlichen Stille und Dunkelheit in der Nacht – was macht das mit einem Menschen?

Er hatte immerhin keine Erfahrung in der Viehhaltung, mit dieser Einsamkeit, mit Luxus- und Medienverzicht- aber, wie er sagt: Er hatte Motivation und Mut!

Vielleicht hat er etwas Wesentliches dort entdeckt, das man im Alltag oft nicht sieht.

Mit dieser Erfahrung des „heilenden Verzichtes“ entwickelte sich parallel die Krankheit – das Almfieber.

Sollte er schon einige angesteckt haben, dann kann man sich eine epidemische Ausbreitung nur wünschen.

DW

 

 

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